SCHULE: das Projekt

Im vergangenen Herbst hat unsere älteste Tochter von der Volksschule in eine weiterführende Schule gewechselt. Der Umstieg war herausfordernd. Für sie, aber auch für uns. Von anderen Eltern hab ich oft gehört, dass `es eine große Umstellung für die Kinder war, jede Stunde unterschiedlichen Lehrer:innen zu haben´. Das hat unserer Tochter eigentlich gut gefallen. Denn damit haben Fächer wie Geographie, Biologie oder Musik, die in der Volksschule oft untergegangen oder hintenangestellt wurden, einen festen Platz in ihrer Woche.

Was diese vielen verschiedenen Fächer vom Lernaufwand bedeuten, war ihr aber nicht bewusst. Für die vielen Fächer gleichzeitig Aufgaben erledigen, Referate vorbereiten, Bücher lesen, den in der Schule erarbeiteten Stoff festigen und das Wissen in Tests und Schularbeiten unter Beweis stellen. Darauf war sie nicht vorbereitet.

Vielleicht habe ich es verdrängt, vielleicht war es früher tatsächlich einfacher. Auf jeden Fall hatten wir weniger Ablenkung. Handy und Laptop, Social Media und Filme streamen wo immer man will, gab es schlicht nicht. Genauso wenig wie Nachmittagsbetreuung. Und knapp eineinhalb Jahre Homeschooling wegen Corona haben die Lernkompetenzentwicklung auch nicht gefördert.

Wie man sich selbst organisiert, den Lernstoff einteilt und Aufgaben zeitgerecht erledigt, wird in der Schule zudem nur unzureichend thematisiert.

`Unsere Kinder brauchen Unterstützung, aber manchmal weiß ich einfach nicht wie?´

Die Zeit, die neben der Arbeit bleibt, ist zu knapp. Die Zeit, um die Kinder beim Lernen zu unterstützen und ihnen das richtige Rüstzeug zu vermitteln. Obwohl wir in der glücklichen Lage sind, das ich nur zu 75% angestellt bin, mein Mann und ich in Summe drei Tage in Homeoffice arbeiten und unsere Arbeitszeit gut selbst steuern können. Die Kinder gehen daher nur zweimal in der Woche in die Nachmittagsbetreuung und können an drei Tagen am Nachmittag zu Hause lernen.

Als IT-Projektleiterin weiß ich, wie man ein vages Ziel greifbar macht. Als erstes gilt es das große Ganze gemeinsam mit dem Team in Arbeitspakete aufzuschlüsseln. Diese meist großen Arbeitspakete werden dann weiter in kleinere ToDo´s, also Aufgaben, zerlegt und dazu werden Meilensteine definiert. So ergibt sich mit dem Projektteam eine konkrete Vorstellung über das Ziel. Und ein grober Plan wie man es erreicht.

Diesen Plan herauszuarbeiten, kann ich als Projektleiterin alleine nie leisten! Dafür brauche ich immer mein Team. Und das Erledigung der Aufgaben kann ich erst recht meinem Team nicht abnehmen. Ich kann sie nur unterstützen, anleiten und die richtigen Fragen stellen.

Du kannst nicht für Dein Kind lernen.
Du kannst auch nicht mit Deinem Kind lernen.

Du kannst Deinem Kind alles beibringen,
um selbständig zu lernen.

Und genau das ist mein Anspruch, an uns als Eltern. Als berufstätige Mama von drei Kindern, kann ich nur darauf setzten, den Kindern die Kompetenz der Selbstorganisation zu vermitteln. Und ich bin zutiefst davon überzeugt, dass ist es, was ihnen später helfen wird. Egal welchen Weg, welchen Beruf sie wählen werden.

Ich weiß, wie wichtig diese Kompetenz später im Berufsleben ist. Um in einem Team zu arbeiten ist Selbstorganisation zwingend notwendig. Und genauso ist es ein Grundstein, wenn man überwiegend alleine, also selbständig, arbeitet. Für die neuen, verlockenden Berufsbildern wie Youtuber oder Influencer, ist es genauso wichtig einen Plan entwickeln, diesen verfolgen und evaluieren zu können, wie in altbekannten, klassischen Berufen wie Schriftsteller, Schauspieler oder Musiker.

In meinem Umfeld sehe ich immer wieder, wie schwer viele Erwachsene sich damit tun. In einer stark digitalisierten Arbeitswelt, in der es vielseitige technische Möglichkeiten und unterschiedlichste Schnittstellen zwischen Mitarbeitern, Teams, Abteilungen oder Unternehmen gibt, ist mancher Erwachsener überfordert. Diese Kompetenz im kleinen Rahmen langsam aufzubauen, hilft Kindern ein Leben lang.

Woran erkennt man jetzt ein Projekt?

„Ein Projekt ist ein Vorhaben, das im Wesentlichen durch Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist, z.B. Zielvorgabe, zeitliche, finanzielle, personelle und andere Begrenzungen, Abgrenzungen gegenüber anderen Vorhaben und projektspezifische Organisation.“

DIN 69901

In der Wirtschaft stellt man sich meist folgende Fragen: Mussten wir solch eine Aufgabe schon einmal lösen und haben dafür bereits Prozesse? Oder ist die Aufgabe völlig neuartig und wir betreten Neuland? Ist fachübergreifende Teamarbeit notwendig oder kann die Aufgabe von einer Person/kleinen Gruppe bewältigt werden? Um ein Projekt von einer Routinearbeit zu unterscheiden, kann man sich an den fünf, für ein Projekt typischen, Markmalen orientieren.

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Die 5 typischen Projekt-Merkmale

konkrete
Zielvorgaben

zeitliche
Begrenzung

begrenzte
Ressourcen

Neuartig- &
Einmaligkeit

Größe &
Komplexität

Das sind die Merkmale des Projekts Schule

Schule ist ein ganz konkretes und messbares Zielvorhaben.

Es ist zeitlich begrenzt, wenn gleich die Zeit bis zum Abschluss in Phase aufgeteilt ist. Typisch für große Projekte.

Neben der Schule an sich, dem steigenden Interesse an außerschulischen Hobbies und Aktivitäten und Zeit die für alle anderen Probleme die der Alltag einer:eines Heranwachsende:n bringt benötigt wird, sind die Ressourcen die Dein Kind zum Lernen aufbringen kann definitiv begrenzt. Und Deine eigene Zeit ist ohnehin stark limitiert.

Für alle Beteiligten – Dein Kind, Dich als Mama oder Papa, eventuelle Geschwister oder Großeltern – handelt es sich um eine neue Herausforderung, die keiner von Euch in dieser Konstellation bisher bewerkstelligt hat. Und sie wird sich auch nicht wiederholen.

Die Komplexität, die durch die Dauer der Ausbildung bis zum Abschluss, dem Zeitpunkt während eines hormonellen Totalumbaus des Gehirns und der notwendigen Abgrenzung von den Eltern entstehen, ist gewaltig.

Zielvorhaben: Positiver Schulabschluss oder …?

Das augenscheinliche Ziel der Schulbildung ist ein positiver Schulabschluss. Noch besser ein sehr guter, sehr positiver Abschluss. Noch immer! Aber ist das wirklich alles? Wie viele gute Schüler:innen beenden ihre Ausbildung, haben aber keine Ahnung wer sie sind, was sie ausmacht und schon gar nicht was sie machen wollen.

Ich bin natürlich auch das Meinung, dass es wichtig ist, möglichst viel an Wissen mitzunehmen. Und, solange unser Schulsystem so ist wie jetzt, kommt man auch nicht umhin, mit halbwegs guten Noten abzuschließen. Die Schule muss den Kindern aber auch die Möglichkeit geben, sich auszuprobieren. Da sind sicher Gegenstände dabei, in denen man einfach nicht gut ist, weil einen das Thema schlicht nicht berührt. Dort wo ich keine Begeisterung habe, kann ich auch nicht ohne große Anstrengung gut sein. Fächer und Schwerpunkte ändern sich aber im Laufe der Ausbildung. Manches Fächer fallen auch komplett weg. Die Interessen der Kinder ändern sich noch viel mehr. Wenn es im einen oder anderen Fach einmal in einem Jahr nicht so gut klappt, sollte man sich zu aller erst nicht zu sehr stressen. Solange man nicht in allen Gegenständen kämpft und ständig am Limit ist.

Wichtig ist vor allem eines: Im Laufe der Ausbildung herauszufinden, wofür man brennt! Was ist es das einen wirklich begeistert und interessiert?

Zeitliche Begrenzung: 9, 13 oder 14 Schulstufen

Schule ist zeitlich begrenzt, wenn gleich die Dauer der Schulbildung in verschiedenen Ländern unterschiedlich lange ist und es meist auch innerhalb der Länder verschiedene Ausbildungsmöglichkeiten gibt. Österreich ist ein Land, das hier mit vielfältigen Varianten voran geht 😉

Neun Jahre wäre einmal die Schulpflicht. Danach kann eine Lehre angeschlossen werden, die je nach Berufsbild unterschiedlich lange ist. Nach der achten Schulstufe können Kinder auch in einem Real- oder Bundesgymnasium noch weitere vier Jahre, oder in einer berufsbildenden Schule fünf Jahre, Oberstufe bis zur Matura absolvieren. Und vermutlich gibt es noch diverse Modellschulen von denen ich (noch) nichts weiß.

Wie lange auch immer die Schullaufbahn Deines Kindes dauern wird, es sind jedenfalls mindestens neun Jahre bis ein erstes Ziel erreicht ist.

Aber es gibt Zwischenziele, im Projektmanagement würde man von Phasen oder Gateways sprechen. Jede Schulstufe stellt so ein Zwischenziel dar, auf das es gilt hinzuarbeiten.

Begrenzte Ressourcen: Der Tag hat 24 Stunden

Ressourcen Planung in Bezug auf die Schule stellt für die meisten Familien vermutlich die Größte Herausforderung dar. Ein Teil des Aufwands ist klar und fix. Die Zeit, die Dein Kind in der Schule unterrichtet wird, ist vorgegeben und daran gibt es auch nichts zu rütteln.

Einerseits ist das aber nicht alles an Zeit, die Dein Kind in „Schule“ investieren sollte. Abhängig von Deinem Kind, ist neben Hausaufgaben erledigen oder Referate ausarbeiten, mehr oder weniger Zeit notwendig um auf Prüfungen vorbereitet zu sein.

Andererseits ist der Tag auch zeitlich begrenzt. Durch gemeinsames Lernen mit Schulkollegen oder einen Nachhilfelehrer kann zwar auch Zeit effizienter genutzt werden, weil Lernen so oft leichter und schneller geht. Aber die Einsparung ist gemessen am notwendigen Gesamtaufwand gering.

Neuartigkeit & Einmaligkeit: Selbst im Falle einer Klassenwiederholung!

Der Unterrichtsstoff in jedem Fach in jedem Jahr ist neu, natürlich. Aber selbst wenn eine Klasse einmal wiederholt werden muss und sich der Stoff vermeintlich wiederholt, ist es wieder eine einmalige Situation. Die Klassenkollegen sind neu, die Lehrkraft ist (meist) neu und das eigene Gefühl, das Selbstbewusstsein, haben sich verändert.

Größe & Komplexität: Vom 6sten bis 18ten Lebensjahr, Pubertät inklusive, noch Fragen?

Die Thematik „Größe“ kommt schon alleine durch die Dauer zustande. Schule erstreckt sich aber vor allem über viele geistige und körperliche, teils hormonell gesteuerte, Entwicklungsstufen. Das soziale Rollenverhalten, Gewissen, Moral und eine Werteskala entwickeln sich. Der Umgang mit Altersgenossen und die persönliche Unabhängigkeit verändern sich. Später wird das Kind in seinem Gesundheitsverhalten von seinen Eltern unabhängig. Eine Risiko behaftet Zeit, in der auch Alkohol, Drogen und Sexualpraktiken erforscht werden müssen. Insgesamt findet quasi ein Totalumbau statt. Eine Restrukturierung der sozialen, kognitiven, und körperlichen Ausgangslage. All das bringt auch Spannung zwischen Kind und Eltern und erhöht die Komplexität unglaublich.

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Methoden des agilen Projektmanagements

Im Zentrum steht die Kommunikation und ein iterativer Prozess. Genau das hilft auch Schüler:innen. Regelmäßige Kommunikation mit den Klassenkolleg:innen, den Lehrer:innen und den Eltern und ein sich immer wieder an die aktuelle Situation anpassender Prozess.

Ich möchte den Raum hier nutzten und Dich ein wenig an meinen Gedanken, Methoden und Erfahrungen zu diesem Thema teilhaben zu lassen. Also schau wieder vorbei, die nächsten Beiträge kommen bald.

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